Sex. Therapie. Wumm! Zwei starke Wörter – zusammengesetzt zu einem noch stärkeren Wort. Man kennt den Begriff „Sexualtherapie“ vielleicht aus Filmen oder Artikeln und verbindet ihn dadurch womöglich mit mehr oder weniger zutreffenden Vorstellungen davon, was in einer Sexualtherapie tatsächlich passiert.

Ich möchte mit diesem Artikel die Sexualtherapie und die Sexuality Counseling von ihrem Podest und aus dem Schatten des Verborgenen und Mystischen (vielleicht auch des etwas Bedrohlichen…) holen und ganz offen darüber schreiben, wie eine Sexualtherapie nach dem Modell „Sexocorporel“ und nach klinisch-psychologischen Ansätzen in meiner Praxis aussieht.

Mein „Warum“

Eine Sexualtherapie kann grundsätzlich von unterschiedlichen Berufsgruppen angeboten werden, von klinischen Psycholog*innen, Gesundheitspsycholog*innen, Lebens- und Sozialberater*innen oder Ärzt*innen.

Ich bin clinical psychologist und habe zusätzlich Lehrgänge in Sexualpädagogik, und in Sexualtherapie nach dem Modell „Sexocorporel“ am Institut für Sexualpädagogik und Sexualtherapien (ISP Wien) gemacht.

Wieso sucht man sich so etwas als Spezialisierung aus? – Mag sich vielleicht die ein oder andere Leser*in fragen. Genau kann ich es auch nicht beantworten. Das Thema Sexualität hat mich – wie so viele Menschen – schon länger interessiert. Durch Zufall bin ich Anfang 20 auf der Suche nach einem psychologischen Praktikum auf das ISP Wien gestoßen und habe an einem Wochenend-Workshop teilgenommen. Dieser hat mir so gut gefallen, dass ich geblieben bin. Es fiel mir schon immer relativ leicht, über Sex zu sprechen und mich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Wie viel Kraft hinter dem Thema tatsächlich steckt, wie viele offene Fragen, wie viel Bedarf an Information und wie viel (noch) ungenutztes Potential – das wurde mir erst im Laufe der Ausbildungszeit klar.

Deshalb möchte ich mein Talent der Leichtigkeit im Umgang mit dem Thema Sexualität in Kombination mit dem erworbenen Wissen nutzen, um dem Wunsch vieler Menschen nach sexueller Weiterentwicklung entgegenzukommen.

Das ressourcenorientierte Modell „Sexocorporel“ wurde von dem Psychologen Jean-Yves Desjardins  am Departement für Sexualwissenschaft an der Universität von Quebec (Montreal, Kanada) entwickelt. Es basiert auf wissenschaftlichen Forschungsergebnissen sowie auf der von der WHO formulierten Definition sexueller Gesundheit. Es zielt nicht darauf ab, jemanden oder etwas zu pathologisieren (also nach „krankhaften Anteilen“ zu suchen), sondern darauf, die Person zu verstehen und die (sexuellen) Kompetenzen aufzubauen bzw. zu erweitern. Ziel ist es, den Klient*innen Methoden und Tools auf körperlicher, emotionaler und kognitiver Ebene in die Hand zu geben, um ihr Sexualleben befriedigender und erfüllender zu gestalten.

Sexualtherapeutische Ansätze aus der klinischen Psychologie bieten ebenso hilfreiche Techniken, wie psychologische Gesprächsführung, kognitive Interventionstechniken (beispielweise kognitive Umstrukturierung von erlernten Glaubenssätzen), Entspannungsübungen (beispielsweise Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen oder Tiefenentspannung nach Erikson), Sensate Focus, Atemübungen etc.

Ablauf

In ersten Gesprächen bekommt die/der Therapeut*in ein besseres Bild über die/den Klient*in, sowie über bisherige sexuelle Lernschritte und Erfahrungen. Auch wenn es manchmal ganz hilfreich wäre – auch Therapeut*innen können keine Gedanken lesen! Wir wissen nur das, was sie auch tatsächlich von sich erzählen.

Haben Sie sexuelle Schwierigkeiten, gibt es meist auf der ein oder anderen Ebene etwas, das erweitert und verbessert werden kann und darf. Dies könnte beispielsweise eine hohe Spannung auf körperlicher Ebene in Kombination mit erlernten Glaubenssätzen wie „Ich muss ihn/sie immer zum Orgasmus bringen“ oder „Erfolgreiche Menschen haben viel Sex“ sein. Liegt hier das „Problem“, wird man sich diesen Themen widmen. Einerseits durch Gespräche und dem Erlernen neuer, passenderer Glaubenssätze und andererseits durch Körperübungen um mehr Leichtigkeit, Kontrolle und Flexibilität auf körperlicher Ebene zu gewinnen.

So weit, so gut. Nicht mehr und nicht weniger. Professionelle Sexualtherapie beruht auf wissenschaftlichen geprüften Methoden, ist zeitlich begrenzt und nachvollziehbar und darf jederzeit pausiert oder beendet werden. Es ist keine Hexerei – sondern der Einsatz wirkungsvoller Methoden kombiniert mit empathischem und professionellem therapeutischem Handeln.